Bordbuch-Eintrag: Ankunft in Buchara 10.7.2012, Kilometerstand 7228, 62. Reisetag. Wetter 41 Grad, die Sonne brennt. Am dritten Tag Temperatursturz auf 36 Grad, angenehm kühl.
In Buchara müssen wir uns erstmal kurz zurückziehen. Am Morgen vor der Ankunft in Buchara erreicht uns die im letzten Beitrag schon erwähnte Mail des chinesischen Reisebüros, die besagt, dass unsere gesamte Reiseroute eigentlich für den Arsch ist und nicht wie geplant durchgeführt werden kann, da unsere China Durchquerung nicht genehmigt wird. Ca. 50 km vor der Stadt trete ich dann auf die Bremse, um vor einem Schlagloch abzubremsen, doch der Gran Hermano verzögert nur s..e..e..e..h..r langsam. Bei einem Blick auf die Luftdruckanzeige stelle ich fest, dass auf dem Luftkessel nur 1,2 Bar sind anstatt der üblichen 3,5 bis 5, die für eine gute Bremswirkung notwendig sind. Eine Diagnose bei 41 Grad im Schatten am Straßenrand führt zu keinen Ergebnissen (eigentlich auch kein Wunder). Wir beschließen also, langsam bis Buchara zu fahren und das Problem dort, in einer Stadt mit Infrastruktur, zu lösen. Zu allem Überfluss bekommt Sylvia auch noch einen heimtückischen Rückfall von einer eigentlich schon überwunden geglaubten ansonsten vorbildlichen typischen Reisekrankheit. Vorbildlich deswegen, weil diese Krankheit vor ein Paar Tagen in Chiwa mit einer Frauenquote von 85 % die Anforderungen der EU-Kommission schon vollständig und freiwillig umgesetzt hatte.
Zurückziehen heißt im Klartext, dass wir für drei Nächte unseren geliebten Gran Hermano allein am Straßenrand stehen lassen, um in einem klimatisierten Zimmer in einem Bed&Breakfast zu übernachten. Sylvia kann sich so bei normalen Temperaturen regenerieren, denn ihrem angeschlagenen Zustand verträgt sie die Temperaturen bis 42 Grad äußerst schlecht. Die Genesung schreitet dann auch schnell voran, am zweiten Tag ist ihr Zustand schon wieder einigermaßen stabil. Ich kann mich derweil um unseren Gran Hermano kümmern. Mein anfänglicher Verdacht, der Luftpresser hätte den Geist aufgegeben und müßte zerlegt und repariert werden, bestätigt sich nicht. Abends hatte ich mir über das Internet noch Rat aus dem Allrad-LKW-Forum geholt und in der Nacht die Antworten und Ratschläge (die in wenigen Minuten bis Stunden kamen) in mein Programm zur Fehlersuche gleich mit eingebaut. Um 6 Uhr stehe dann ich auf, denn in der morgendlichen Kühle bei 24 Grad denkt und arbeitet es sich besser. Schnell stelle ich fest, dass sich zum Glück nur ein paar Schraubverbindungen der Luftdruckschläuche gelöst hatten. Bei der Hitze am Vortag hatte ich das nicht erkannt (kein Zischen zu hören, das wurde vom Motor übertönt), doch jetzt am Morgen dauert die Suche nach der Ursache nur fünf Minuten. Bei dem ewigen Gerüttel auf den Straßen ist es eigentlich auch kein Wunder, dass sich alle Schrauben irgendwann lösen. Nach Festziehen der Schrauben baut sich dann auch der gewohnte Luftdruck wieder auf. Die nächsten drei Tage nutze ich, um von sechs bis acht Uhr die wichtigsten Schraubverbindungen zu prüfen und nachzuziehen. Dabei wundere ich mich dann wieder, dass 95 % noch bombenfest sind.
Was ich entdecke ist ein schon wieder an mehreren Stellen eingerissener Auspuff, der ist wirklich nicht mehr im Bestzustand. Doch in einer so großen Stadt findet sich schnell ein Schweißer, der ihn wieder repariert. Ich zeichne ihm im Sand noch meine Idee von ein paar Versteifungen auf, was er sofort versteht und auch so in die Tat umsetzt. Das ist natürlich auch keine Garantie für ein ewiges Auspuff- Leben, doch ein wenig lebensverlängernd wird das schon sein. Wenn das irgendwie bis Indien hält, bin ich schon dankbar, denn die Inder sind verrückt genug, mir irgendwie einen ganz neuen Auspuff zu bauen.
Was noch zu tun bleibt, ist noch die Suche nach Diesel, denn wenn ich jetzt noch ca. 200 Liter bekommen würde, würde das bis Kirgistan oder Kasachstan reichen. Und natürlich die Lösung der großen Frage, wohin die Reise jetzt geht. Die ganz große Tour mit Mongolei und China wird es nicht werden, denn nach Nepal dürfen wir nicht und nach Südostasien wollen wir nicht, da es zu weit weg ist für eine Rückreise aus eigener Kraft, eine Verschiffung ist von unterwegs zu nervig zu organisieren und zu teuer. Gerne würden wir die Mongolei erreichen, doch die Entfernungen sind gewaltig, und eine Rückreise von Ulan Bataar durch Sibirien, die Ende September startet, birgt das Risiko, von einem frühen Wintereinbruch überrascht zu werden und stecken zu bleiben. Wir überlegen hin und her, doch es bleibt eigentlich nur eine “kurze” Route von hier nach Indien und dann nach Nepal über Pakistan oder eine Rückkehr Richtung Europa nach der Fahrt durch Zentralasien. Für alle Optionen müssen wir Visa besorgen, für die Pakistan- Route wahrscheinlich sogar einen zweiten Pass, da wir ihn für das Pakistan- Visum nach Deutschland schicken müßten (dieses kann nach pakistanischen Richtlinien nur im Heimatland ausgestellt werden). Den Erst- Pass können wir dafür schlecht nehmen, weil man ihn unterwegs in fast allen Ländern dabei haben muss. Wir haben schon diverse emails geschrieben, um uns im Detail darüber zu informieren, was überhaupt machbar ist. Nun heißt es erstmal abwarten.
Als Entschädigung sehen wir die Chance, Länder wie Kirgisien mit seinen Bergen ausführlich zu erkunden, wir hätten es aus Zeitgründen sonst links liegen lassen müssen, genau wie Tadjikistan und das Pamir Gebirge. Wenn alles gut läuft, können wir dort nun lange verweilen mit relativ wenigen anstrengenden Fahrt- Kilometern.
Bei den beschriebenen Ereignissen tritt die Stadt Buchara selbst für uns leider ein wenig in den Hintergrund, was etwas ungerecht ist. Buchara ist eine der ältesten Städte Zentralasiens (über 2.500 Jahre alt) und hat eine sehr gut erhaltene orientalischen Altstadt mit beeindruckenden Bauwerken aus dem Mittelalter. Die Altstadt wirkt am Tag etwas leblos, weil fast alles auf Souvenirverkauf (Teppiche zu Preisen 3 mal so hoch wie in Hamburg, Keramik, Mützen, Kleider, “Change Money” zu schlechten Kursen) an Touristen ausgelegt ist und außer Touristen und Verkäufern kaum jemand auf der Straße ist. Das “wahre” Leben spielt sich wie immer in der Neustadt (mit 250.000 Einwohnern nicht gerade klein) ab. Die Bauwerke der Altstadt sind dafür trotzdem wirklich beeindruckend und sehenswert. Abends kommt das Leben dann auch in die Altstadt, denn wenn die Hitze nachlässt, kommen auch die Usbeken aus ihren Häusern und die Straßen füllen sich. Dann gibt es für uns zur Abwechslung mal wieder so etwas wie “Night Life”, was bedeutet, dass wir nicht alleine im Nichts in den Himmel schauen, sondern dass wir auch mal wieder irgendwohin gehen können, es dazu noch Musik und kitschige Beleuchtung gibt, und wir nicht selber kochen müssen. Das mit dem nicht selber kochen ist aber ab dem zweiten Tag schon weniger, ab dem dritten Tag schon gar nicht mehr schön, weil unser eigenes Essen bislang auf dieser Reise noch nicht übertroffen wurde und uns schnell fehlt. Genauso fehlt uns nach drei Nächten in einem Zimmer mit zu vielen Steinwänden und zu wenig Aussicht auch unser Gran Hermano und das Leben in der Natur, selbst wenn es eine Wüste ist. Die Nomaden müssen weiter ziehen…