Bordbuch-Eintrag: Ankunft am Grenzübergang Kotjajevka (Russland-Kasachstan) 19.6.2012, Kilometerstand 5160, 41 Reisetag. Wetter 30 Grad, die Sonne brennt. Starker Wind, abends Gewitter.
Nach Verlassen des Kaukasus werden wir innerhalb von zwei Tagen in eine völlig gegensätzliche Landschaft und Jahreszeit katapultiert. In Dombai wucherte noch alles in frischem Maigrün, 250 km weiter in der heißen Ebene ist bereits Getreideernte. Auch das Getreide weicht irgendwann zurück, wir haben Kalmückien erreicht. Zum ersten Mal spüren wir Größe und Weite, die Steppen Asiens kündigen sich an. Fast 500 km zieht sich die Strasse schnurgerade durch die flache Grassteppe. Außer Viehherden und deren Hütern ist dort nichts zu sehen.
Die Kalmücken sind vor Jahrhunderten aus der Mongolei eingewandert, was man auch deutlich sieht. So klopft es morgens an der Tür, wir haben uns einfach von der Straße entfernt und in die Steppe gestellt. Ich öffne die Tür: Ein asiatisch aussehender Reiter wartet dort und schreit sofort los: “Hallo, was macht Ihr denn da?”. Sind wir schon in der Mongolei? Der Reiter gibt mir die Hand und stellt sich als Sascha vor. Er will alles über uns wissen und erzählt auch von sich ziemlich viel. Wenn er spricht, schreit er laut, immer wieder von ebenso lautem Lachen unterbrochen. Als seine 1.200 Schafe am Horizont langsam kleiner werden, verabschiedet er sich mit zwei Handschlägen und reitet davon. Ähnlich herzlich sind auch die anderen Begegnungen im der Steppe, wenn jemand (meistens mit dem Auto) an unseren Stellplätzen anhält. Meistens wird uns noch die Richtung zum nächsten Haus gezeigt, falls wir Essen oder Wasser brauchen.
Mitten in dieser Steppe liegt dann Elista, die Hauptstadt Kalmückiens. Ein Bummel durch die Stadt ist interessant und bietet immer wieder bizarre Anblicke. Zum einen stehen überall Statuen und Skulpturen, zum anderen bieten die buddhistischen Tempel einen Anblick, den man hier nicht erwartet hätte. Durch seine Geschichte ist Kalmückien die einzige buddhistisch geprägte Region Europas.
Am Wolgadelta erwartet uns dann ein endloses Labyrinth an Seitenarmen und Sümpfen, das sich über mehr als 200 km bis nach Kasachstan erstreckt. Wieder einmal hat sich die Landschaft extrem verändert. Die Großstadt Astrachan passieren wir ohne Zwischenstop, wir wollen in die Naturlandschaft im Delta. Leider müssen wir feststellen, dass dies vom Land aus gar nicht einfach ist. Man müßte sein Auto zurücklassen und sich in einer Art Club einmieten mit Vollpension und einem eigenen Boot, auf dem man dann durch das Delta gefahren wird. Da wir beide unser unabhängiges Leben im Auto nicht gerne gegen teure Zimmer und Reiseführer tauschen möchten, bleibt es bei einer Nacht am Fluss, bevor wir dann zur von hier noch 50 km entfernten Grenze nach Kasachstan aufbrechen.
Wir rechnen mit dem Schlimmsten: Stundenlange Prozeduren, Zöllner, die alles durchwühlen und Fragen und Strafe bei der Ausreise aus Russland. In Russland muss man sich nämlich innerhalb von 7 Tagen nach der Einreise bei der Migrationsbehörde registrieren lassen, und das haben wir nicht geschafft. Zweimal haben wir es bei der Ausländerbehörde versucht, ohne Erfolg. Man braucht ein Hotel oder einen russischen Gastgeber. Beides haben wir nicht, da wir im Auto wohnen. In Hotels, in denen wir gefragt hatten, konnte man und auch nicht helfen. Da man sich nach Auskunft des Beamten in der Ausländerbehörde eigentlich auch erst registrieren muss, wenn man drei oder mehr Tage am gleichen Ort bleibt (was bei uns auch nicht der Fall war), haben wir irgendwann aufgegeben. Unsere Strategie war, lieber einmal Ärger bei der Ausreise zu haben (dann aber auch mit konkreten Ergebnissen) als tagelange Rennerei ohne Ergebnis.
So sind wir dann überrascht und hocherfreut, als unsere Pässe ohne weitere Fragen gestempelt werden und wir nach 20 Minuten schon auf der kasachischen Seite stehen. Perfekt ist dann alles, als ich den kasachischen Grenzbeamten nach dem Stempeln der Pässe frage, an welchem Schalter wir als nächstes anstehen müssen, und dieser antwortet “Good Bye”. In das Auto wurde nur kurz durch die Seitentür geguckt. Dafür nehmen wir dannauch gerne die Hunderte von Moskitos in Kauf, die genau wissen, dass vor den Pass- Schaltern immer wehrlose Beute steht, die kurze Hosen und T-Shirts trägt, nicht mit Insektenschutz eingeschmiert ist, und trotzdem nicht wegläuft.