Bordbuch-Eintrag: Ankunft in Kungrad (Qong’irat) 2.7.2012, Kilometerstand 6493, 54. Reisetag. Wetter 41 Grad, die Sonne brennt.
Nach der Grenze kommen nochmal fast 300 km durch menschenleere Einöde (es gibt nur einen Truck-Stop und ein paar Siedlungen an der Bahnstrecke). Dann wird es plötzlich grün, wir haben das Bewässerungssystem des Amu- Darya Flusses erreicht, einem der zwei mächtigen Flüsse Zentralasiens, die mit ihrem Wasser Leben in die Wüste bringen. Die erste Stadt in dieser Fluß-Oase ist Kungrad. Dort merken wir langsam, in was für einem schrägen Land wir jetzt gelandet sind.
Als erstes müssen wir Geld tauschen. In Usbekistan gibt es einen Schwarzmarkt, wo es für Bargeld etwa 30-40 % mehr gibt, als bei der Bank. Auf dem Bazar werden wir auch gleich angesprochen und wechseln erstmal 100 Euro. Was wir dafür bekommen, verschlägt uns die Sprache: Etwa ein halbes Kilo Geld, nämlich 300.000 Sum in Tausendern, größere Scheine gibt es nicht. Portemonnaies haben also erstmal ausgedient. Die Fingerfertigkeit der Usbeken beim Zählen haben wir auch noch nicht, das dauert bei uns fünfmal so lange.
Wie immer in einem neuen Land wollen wir uns dann eine SIM Karte für PC und Smartphone besorgen. Doch zum ersten Mal auf unserer Reise scheint dies nicht möglich zu sein: Man braucht einen usbekischen Pass für den Erwerb einer SIM-Karte, die Pass-Daten werden registriert. Als wir im dritten Telefonshop schon dicke Backen machen, lösen die lustigen und netten usbekischen Frauen das Problem sehr elegant: Die erste aus dem Saftstand nebenan geht kurz weg und kommt mit dem Pass eines Freundes wieder, auf den dann meine Karte im Teleshop registriert wird. 100 Punkte!
Wieder unterwegs wird die Straße zur Autobahn: Zwei Fahrspuren in jede Richtung mit einer dicken Betonwand in der Mitte. Leider hat die Betonwand kaum Durchlässe, auch nicht dann, wenn auf einer Seite eine Ausfahrt zu einem Dorf ist. Das wiederum führt dazu, dass auf beiden Seiten Autos in beiden Richtungen unterwegs sind, je nachdem, auf welcher Seite sie irgendwann abbiegen wollen. Geisterfahrer sind also Standard.
Die fruchtbare Fluss- Region ist auch äußerst dicht besiedelt, alles ist sumpfig und viele Reis- und Baumwollfelder stehen unter Wasser. Es ist mit Mühe und Not möglich, einen Standplatz am Wegesrand neben einem Reisfeld zu finden, ohne den Weg gleich zu blockieren. Am Wegesrand 100 Meter weiter steht im Schatten ein Bett mit einigen Decken und ein paar Einrichtungsgegenständen, hier übernachtet um diese Jahreszeit eine ganze Familie. Viel haben die nicht dabei, aber wenn wir etwas brauchen, sollen wir nur Bescheid sagen.
Am nächsten Tag gibt neue Probleme, aber hier ist kein Problem unlösbar: Es gibt in Usbekistan kein Diesel, jedenfalls nicht auf normalem Wege, also für Privatpersonen an Tankstellen. Auch Benzin ist nicht so weit verbreitet, die meisten Autos haben Gasflaschen auf dem Dach oder im Kofferraum und fahren mit Propan. Um uns nach Möglichkeiten zu erkundigen, Diesel zu bekommen, halten wir an einem Truckstop in Nukus an und fragen die LKW Fahrer. Die wissen auch sofort eine Lösung, telefonieren ein paar Mal mit dem Handy, und eine halbe Stunde später kommt jemand mit 210 Litern Diesel in Kanistern angefahren. Die Trucker fackeln auch nicht lange, Schlauch rein, einmal ansaugen, ausspucken und das Diesel fließt ob meinen Tank. Geschmack von Diesel und besudelte Hemden sind für die nichts besonderes, dabei werden noch ordentlich angedeutete Arschtritte verteilt und dumme Witze gemacht. Humor ist hier Pflicht. Als es ans Bezahlen geht, müssen wir wieder Geld tauschen, aber diesmal sind die Tausender alle. Wir kriegen also 600.000 fast nur in Zweihunderter Scheinen, etwa 2 Kilo Geld. Sylvia soll noch nachzählen, weigert sich aber nach dem ersten Stapel. Zum Glück geht das meiste für die 210 Liter Diesel gleich wieder weg, ich wollte eigentlich auch nicht einen Schrank im Gran Hermano leerräumen, um Geld darin zu bunkern. Zumindest haben wir mit etwa 60 Cent pro Liter auch noch einen ganz guten Preis bekommen.
Bevor wir weiterfahren, empfehlen uns die Trucker noch ein Motel mit Truckstop mitten in der Wüste, dort soll man gut Fisch essen können. Klingt auch recht schräg, aber stimmt, die Jungs kennen sich halt aus. Mitten in der Wüste heißt hier die Frage nur ein Kilo pro Person oder für beide. Uns reicht eins für beide, was sich als richtig erweist. Bis auf ein paar Geräten gibt es kaum Abfall, wir bekommen an diesem Ort tatsächlich ein Kilo knusprig fritierten Fisch mit Salat.
Fazit nach 2 Tagen O’zbekiston (so heißt Usbekistan auf Usbekisch): Auch anstrengend, aber hoher Sympathie- Bonus.