Bordbuch-Eintrag: Ankunft in Loma-Koli am Pielinen-See 16.7.2015, Kilometerstand 4913, 52. Reisetag. Wetter 19 Grad, abwechselnd Sonne und Wolken.
Seit Verlassen des Inarisees hangeln wir uns in Finnland langsam südwärts. Nachdem auf unserer Fahrt Richtung Norden über Wochen bis in den Juli hinein immer frisch austreibende hellgrüne (oder manchmal auch kahle) Birken als Zeichen des beginnenden Frühlings die Landschaft gezeichnet haben, bekommt die Landschaft nun endlich den sommerlichen Touch dunkelgrüner üppig belaubter Bäume. Die Temperaturen werden durchgängig zweistellig, und auf dem Weg in den Süden registrieren wir die ersten blühenden Lupinen, blühenden Flieder, die Blütezeit ist etwa sechs Wochen später als in der Heimat.
Durch das Fehlen der Berge und die gleichförmige Landschaft wird das Reisen monotoner als in Norwegen, die Route führt durch endlose Wälder, vorbei an kleinen und mittleren Seen, dann wieder durch Wald- und Moorlandschaften, Tag für Tag. Alle hundert Kilometer kommt mal eine größere Stadt mit entsprechender hervorragender Infrastruktur.
Die schönen Plätze und Sehenswürdigkeiten Finnlands müssen wir uns „erarbeiten“, sie drängen sich nicht so auf wie imposante Berge, Fjorde, Gletscher, an denen man gar nicht vorbeifahren kann, ohne sie zu bemerken. In Finnland liegen die schönsten Plätze im Wald versteckt, man muss sich vorher informieren und Abstecher von der Route machen. Es gibt überall perfekt ausgeschilderte und markierte Nationalparks und Wanderwege, auch in dieser Hinsicht ist die finnische Infrastruktur vorbildlich.
Den Polarkreis passieren wir hinter Kemijärvi auf einer kleinen unasphaltierten Nebenstraße, dieses Mal in Richtung Süden. Da diese Strecke fast nur von Einheimischen genutzt wird, steht hier kein Polarkreis- Denkmal, nicht einmal ein kleines verwittertes Holzschild. Hinter Kuusamo beginnt der finnische Teil Kareliens (der größte Teil Kareliens gehört seit dem zweiten Weltkrieg zu Russland).
Die Landschaft Kareliens kommt uns immer noch weit und endlos vor, aber sie wird abwechslungsreicher durch die sanften Hügel und die kleine geschwungene Landstraße die sich durch die Hügellandschaft schlängelt. Unsere Ur- Vorstellung vom Reisen in Finnland haben wir inzwischen aufgegeben. Das Bild im Kopf war ein einsamer Standplatz direkt am Ufer eines der ca. 70.000 Seen des Landes, natürlich bei strahlendem Sonnenschein, Bade- und Paddelwetter. Doch so aufmerksam wir auch nach solchen Plätzen suchen: Entweder führt die Straße 1-2 Kilometer vom Ufer entfernt am See entlang, das Ufer fällt dann steil ab oder ist versumpft. Die zugänglichen Stellen sind so gut wie alle bewohnt. Dies stand auch so im Reiseführer, doch wir konnten es kaum glauben, dass in einem so dünn besiedelten Land mit so vielen Seen keine freien Plätze an irgendeinem der Seen vorhanden sein sollen, doch es stimmt tatsächlich – sie sind zumindest extrem selten. Die beste Lösung sind oft Bootsanlegestellen. Diese sind mitten in der Landschaft an vielen Seeufern zu finden. Die Straße führt dort bis an den See, es gibt in der Regel einen großen Park- und Wendeplatz, auf dem man gut und gerne eine Nacht stehen kann. Doch als Dauerplatz für mehrere Tage taugen uns diese Bootsanleger nicht.
So kommt es, dass wir am Oulanka Nationalpark zunächst nach etwas über sechs Reisewochen zum ersten Mal einen Campingplatz ansteuern. Die Schlucht des Oulanka Nationalparks wollen wir uns unbedingt ansehen, außerdem gibt es ein ausgeprägtes Netz an Wanderwegen in Finnlands wohl beliebtesten Wandergebiet. Die finnische Variante von Campingplatz ist sehr angenehm. Die Finnen legen viel Wert auf Privatsphäre und stehen nicht gerne dicht gedrängt nebeneinander wie die Kühe im Stall. Der Campingplatz ist ein großes Areal mitten Im Wald, er hat etwa 25 Wohnmobilplätze die einen ziemlich großen Abstand voneinander haben. Mehr Plätze braucht man hier wohl nicht, es sind nur ein paar davon belegt. Ausländer haben diese Region Finnlands noch nicht so auf dem Zettel, die meisten Reisenden sind Finnen. So können wir in aller Ruhe den mittlerweile ungewohnten Luxus fließend warmem Wassers nutzen, duschen, Wäsche waschen wie zu Hause anstatt in Schüsseln mit Warmwasser vom Herd. Zum ersten Mal auf der ganzen Reise schweigen Heizung und Ofen für 48 Stunden bevor es wieder einen Rückfall in Regen und Kälte gibt (wir sind jetzt ca. 1000 m weiter südlich als noch vor einer Woche, aber der Kältepol Europas ist mit uns nach Süden gezogen). Zum zweiten Mal auf dieser Reise tragen wir T- Shirts statt Thermohemd.
Am Pielinen- See beginnt dann vier Tage später die zweite Sommer- Periode, die wir in Finnland erleben dürfen. Zögerlich, aber täglich länger, zeigt sich die Sonne, selbst die 15-Grad Marke wird wieder durchbrochen. Hier haben wir auch einmal Glück mit einem geeigneten Stellplatz direkt am See. Wir stellen uns an eine kleine Badestelle in einer Bucht mit Sandstrand und Vollausstattung (Kinderspielplatz, Netz für Affentennis (bei uns bekannt unter der englischen Bezeichnung „Volleyball“), Umkleidekabinen, Plumpsklo, Wohnmobilparkplatz, EU- Bericht zur Wasserqualität). Am Tag kommen ein paar Familien wegen des Kinderspielplatzes vorbei, ansonsten haben wir die ganze Anlage für uns alleine. Auch das Gummi-Kanu kann ich wieder zu Wasser lassen. Der Pielinen- See gilt als einer der schönsten in ganz Finnland, und vom Boot aus eröffnen sich am Abend die schönsten Ausblicke. Der graublaue See und der sonnenuntergangs-rote Abendhimmel verschmelzen, in der Ferne scheinen einige Inseln und Landzungen über dem Wasser im roten Himmel zu schweben. Die teure Fotoausrüstung darf nicht mit aufs Wasser, mehr als die Beschreibung in Textform gibt es dazu also nicht.
Der Pielinen- See ist etwa 120 km lang, also nicht gerade klein. Er hat viele Buchten, Landzungen, Inseln und auch einige Sandstrände. Am Südostufer befindet sich die bis knapp 350 Meter hohe Hügelkette der Koli-Berge. Der Blick von dort auf den See gilt in Finnland als eines der Wahrzeichen des Landes, die Berge und das Ufer unterhalb der Berge sind Nationalpark- Gebiet. Wir fahren fast 80 km auf kleinen ungeteerten Landstraßen möglichst dicht am Ufer um den See herum. Die Straße führt auch durch den Nationalpark, dieses Stück ist zwar nicht auf den Landkarten eingezeichnet, aber trotzdem durchgängig befahrbar. Auf halber Höhe können wir immer wieder Ausblicke auf den See mit seinen Inseln erhaschen, an anderen Stellen gibt es wunderschöne Uferpassagen. Im Nationalpark selbst darf man natürlich nicht übernachten, also steuern wir einen nahegelegenen Campingplatz an. Auch dieser Platz ist weitläufig, sodass Fahrzeuge und Zelte großzügig verteilt im Wald stehen. Das schönste an diesem Platz ist der Sandstrand, der Gran Hermano steht gerade mal 5 Meter vom Strand entfernt. Finnisch- Camping ist echt cool, es hat mit der deutschen Variante nur wenig gemeinsam. Morgen soll zum ersten Mal nun auch die 20- Grad Marke geknackt werden, die Aussichten sind also wirklich gut…