Bordbuch-Eintrag: Ankunft am Inarisee 4.7.2015, Kilometerstand 3751, 40. Reisetag. Wetter 11 Grad, Sonne und Regenschauer.
Nach einer letzten Nacht am Meer an einer schönen Bucht am Porsangerfjord wird es Zeit, dem Nordmeer, der Fjordküste und auch Norwegen Tschüß zu sagen. Einen Tag später übernachten wir abends im endlosen Wald irgendwo in Nord- Finnland.
Der Wechsel der Landschaft kommt abrupt nachdem wir von der Küste landeinwärts fahren: Die felsigen Berge enden und machen schon bald den erst kärglichen aber mit jedem Kilometer waldreicheren Hochebenen Platz. Wir sind von den letzten Wochen ständig wechselnde Landschaften, Aussichten, Berge und Felsformationen gewohnt und kommen jetzt in eine offene und weite Landschaft. Obwohl für uns als Norddeutsche die Beschränkung auf eine zweidimensionale Landschaft angeboren ist, fehlt uns trotzdem erst einmal etwas nachdem wir die Dreidimensionalität Norwegens verlassen haben.
Genauso plötzlich beginnt für uns an diesem Ort die „bug season“- Hochsaison für Mücken. Sofort nach dem ersten Verlassen des Fahrerhauses in dieser Gegend stürzen sich Tausende Moskitos aller Arten und Größen auf uns. Zunächst haben wir das Ausmaß gar nicht wahrgenommen, doch schnell zeigt ein Blick auf die Kleidung, dass alleine auf Jacke und Jeans ca. 100 von ihnen sitzen. Und auch die kleineren stechen da durch! Ab jetzt heißt es niemals ungesprayt und nicht eingerieben das Fahrzeug verlassen, dabei sorgfältig darauf achten dass keine Stelle vergessen wird, außerdem das Fahrzeug hermetisch wie eine Quarantänestation mit den Moskitonetzen abriegeln. Trotzdem gelangen bei jedem Verlassen des Fahrzeuges natürlich diverse Viecher in den Innenraum, die dann in mühsamer Handarbeit erschlagen werden müssen. Was hilft, ist den Feind zu kennen, er hat bestimmte Tageszeiten starker Aktivität (tagsüber und am späten Nachmittag) sowie Zeiten, in denen er zwar um die Köpfe fliegt, aber nicht in den Mengen auf Körpern landet wie tagsüber.
Was uns in den ersten zwei Tagen in Finnland auffällt, ist eine Riesenauswahl an Lebensmitteln, selbst hier im dünn besiedelten Norden, und das zu bezahlbaren Preisen. Das Kilo Kartoffeln kostet wieder unter drei Euro. Die Finnen sind scheinbar auch sehr geschäftstüchtig, denn überall werden auf Schildern selbstgeräucherter Fisch, Rentierfleisch und andere selbst hergestellte Produkte angeboten. So etwas gab es in Norwegen sehr selten, für uns als Fans lokaler selbst erzeugter Produkte ist das ein kleines Schlaraffenland. Das Handynetz ist auch der Wahnsinn, es gibt im letzten Eck im Wald noch volle Signalstärke und immer High- Speed. Wen wundert’s, die Finnen haben Handys und das Netz ja quasi erfunden und ihren Vorsprung scheinbar behalten.
Unsere erste Station für einen Aufenthalt ist der Inarisee, einer der größten Seen Finnlands, der den hier ansässigen Samen als heilig gilt. Der See ist größtenteils unzugänglich wegen seiner sumpfigen und verschilften Ufer, die Straße führt nur an wenigen Stellen direkt an den See. Es gibt über dreitausend Inseln, man kann die Größe dieses Sees von Land aus gar nicht erfassen. Mit großem Glück finden wir an einer Flussmündung direkt am Seeufer ein zugängliches aber trotzdem unbewohntes Plätzchen direkt am Ufer (dort wo man ans Ufer kommt, steht in der Regel auch in Ferienhaus), fast das einzige per Straße erreichbare am gesamten Nordufer.
Endlich ist es Zeit, einmal unser Gummi-Kanu aufzublasen und in See zu stechen. Erst dort ist die Ruhe und die Größe des Sees spürbar, lautlos gleitet das Boot durchs Wasser und als die Straße außer Hörweite ist, sind Wind und Vögel die einzig verbleibenden Geräuschquellen. Regen und Wind lassen die Fahrt nicht zu gemütlich werden, denn ein Gummiboot wird bei Wind schwer steuerbar, auch wenn es ein Kanu und kein Badeboot ist. Doch immer wieder kommt die Sonne raus, die dunklen Wolken dazu sorgen für ständig wechselnde Licht- und Farbenspiele. Ohne Reinfallen und nasse Klamotten beim Aussteigen an der Uferböschung geht es leider nicht, aber das gehört eben dazu.