Bordbuch-Eintrag: Ankunft in Samarkand 15.7.2012, Kilometerstand 7561, 66. Reisetag. Wetter 36 Grad, die Sonne brennt.
Bei unserer Abreise aus Buchara bekommen wir noch einen Wink am Ortsausgang: Ein Wegweiser verdeutlicht uns noch einmal die Entfernungen in diesem Teil der Welt. Almaty, auf der Landkarte quasi nebenan: Über 1.300 km. Das wäre das erste Drittel Richtung mongolische Grenze, außerdem gibt es dort die einzige mongolische Botschaft in Zentralasien, die uns ein Visum ausstellen könnte. Bishkek, auch gleich um die Ecke: Etwas über 1.100 km. Von dort hätten wir über Pakistan nur noch 2.500 km bis Indien, wenn man uns in Pakistan einreisen läßt.
Erst einmal fahren wir von Buchara nach Samarkand, der wohl größten und bekanntesten unter der Städten der alten Seidenstraße, die auf dem usbekischen Teil unserer Route liegen. Auch hier nehmen wir uns wieder ein Zimmer, da es keinen halbwegs annhembaren (also etwas stilleren und schattigen) Platz in zentraler Lage gibt. Wieder einmal sind wir an einem Platz, an dem auch andere Auto-, Motorrad-, und auch Fahrradfahrer aus Europa “absteigen”. Die Fahrradfahrer sind in der Überzahl. Europa-Thailand mit dem Fahrrad scheint heutzutage ziemlich normal zu sein, das sind die wahren Helden!
Samarkand wirkt auf den ersten Blick modern und üppig, die Straßen sind sechs- oder achtspurig und oft noch als Alleen mit breiten Fußwegen angelegt. Die touristische Innenstadt hat sogar eine Fußgängerzone (!) mit modernen Geschäften, in denen aber außer dem Besitzer selten noch jemand anders ist. Das könnte daran liegen, dass der Touristen-Nepp hier wohl am größten und alles etwa doppelt so teuer ist wie anderswo. Dort, wo noch nicht alles plattgemacht wurde, findet man dann auch noch die alten Stadtviertel mit winkligen, engen, staubigen Gassen und alten Häusern mit Innenhöfen. Über den gesamten Stadtbereich verteilt stehen die alten Moscheen, Medressen und Mausoleen aus der Zeit Timurs (um 1400), der auch hier begraben liegt. Diese gehören zu den ältesten noch erhaltenen mittelalterlichen Bauwerken der Region. Alle noch älteren Bauwerke, die es hier einmal gab, wurden durch das Heer Chinggis Khans zerstört. Durch Erdbeben sind die Minarette und Eingangsportale teilweise ziemlich schief (wir dachten erst, das sei der geniale Plan des Architekten gewesen), teilweise haben sich auch schon große Risse gebildet. Doch schon die Sowjets haben viel Arbeit in die Restaurierung gesteckt, vor allem auch bei den aufwendigen Mosaiken mit Mustern und Schriftkunst, die uns am meisten faszinieren. Dass diese Bauwerke die zahlreichen Erdbeben überhaupt überlebt haben, ist schon ein Beweis für die Qualität der damaligen Baukunst.
In Samarkand ist nun auch die Entscheidung fällig, wohin denn nun diese unsere Reise gehen soll. Die Route Richtung Mongolei und die Richtung Indien trennen sich hinter Samarkand. Seit Buchara wissen wir ja nun, dass eine Durchquerung Chinas Richtung Indien nicht möglich ist, da die chinesischen Behörden Tibet einfach mal eben für Touristen gesperrt haben. Wer weiß, was sie dort mal wieder vorhaben, dass niemand zuschauen darf. Eine Alternative wäre dann, über China und den Karakorum Highway (Pakistan) nach Indien und Nepal zu reisen. Diese Route würde Tibet westlich umgehen. Wie wir inzwischen herausgefunden haben, ist es alles andere als einfach, unterwegs ein Pakistan-Visum zu beantragen, und die Chance, dass es abgelehnt wird, ist schon recht groß. Ich als hoffnungsloser Optimist hätte es probiert (und ich bin mit so etwas bislang auch noch nie gescheitert), Sylvia als etwas realistischerer Optimist meint aber, dass der immense Aufwand dafür dann am Ende zu nichts führt und wir das Visum nicht bekommen, dafür aber Wochen in Städten verbringen, um das alles zu regeln.
So kommt die Mongolei wieder ins Spiel. Die Mongolei war für uns beide immer ein Highlight dieser Reise. Da uns der Weg nach Süden aus der Mongolei nun versperrt ist (eine China-Durchquerung Richtung Laos wäre zwar erlaubt, scheidet aber aus Kostengründen -wegen Rückverschiffung- nach wie vor aus), würde das bedeuten, dass die Mongolei der Umkehrpunkt unserer Reise ist, und wir von dort aus dann einen Wettlauf gegen den einbrechenden Winter starten würden und durch Sibirien zurück fahren. Bei dieser Variante sind meine Bedenken größer. Die zu fahrenden Entfernungen sind weit, meine Bedenken sind eher, ob Sylvia diese langen Etappen aushält. Bislang fahren wir an Fahr-Tagen etwa 5-7 Stunden, was meiner Meinung nach auch ausreicht. Wir wollen ja morgens und abends auch noch den Tag genießen. Für die Mongolei- Variante müßten wir aber einige längere Fahr-Tage einlegen.
Eine demokratische Abstimmung zu zweit ist unmöglich, und so gehen wir immer wieder die beiden Alternativen durch, bis wir uns dann endlich für die Mongolei entscheiden. Da dies für uns beide immer ein Highlight war, sind bei dieser Variante die positiven Aspekte für uns beide einfach am größten. Wegen der unterschätzten Entfernungen haben wir unseren ursprünglichen Plan, noch einen Abstecher ins Pamir Gebirge in Tadschikistan zu machen, sowieso schon aufgegeben. Wir werden nun also nach Almaty fahren, dort das Visum für die Mongolei beantragen, und dann direkt Kurs auf die Mongolei nehmen. Eine Überwinterung in tropischen Gedulden fällt damit aus. Wir können dann im Herbst nach der Durchquerung Sibiriens noch entscheiden, ob wir in Griechenland oder der Türkei überwintern möchten oder ob wir uns direkt in das Novembergrau und die triste Vorweihnachtszeit zu Hause stürzen. Das hängt wohl auch davon ab, ob Sylvias Reisemüdigkeit, erzeugt durch die eintönige Steppe, die schlechten Straßen, die Hitze und die Magen-Darm Probleme der letzten Tage, durch die nun kommenden Etappen vertrieben wird.