Bordbuch-Eintrag: Ankunft am Hedarfjorden bei Särna 2.6..2015, Kilometerstand 762, 8. Reisetag. Wetter 9,5 Grad, bei Regen und Sturm.
„Wir heizen hier nicht für draußen – Fenster zu!“ – so hat man mich in meiner Kindheit oft ermahnt. Unsere erste Woche in Schweden ist verstrichen, wir haben hier das Gegenteil getan: Türen aufgerissen für den freien Blick auf den See direkt vom Bett aus, die Kälte des nordischen Abends mit Amok- Heizen unseres Holzofens kompensiert, denn ich liebe die Wärme, und der ideale Standplatz kann nicht nahe genug am Fluss, See oder dem Abgrund eines Canyons sein.
Nach 300 gefahrenen Kilometern haben wir die Ostseeküste verlassen und bewegen wir uns parallel zur norwegischen Grenze auf kleinen Straßen langsam Richtung Norden. Bei besserem Wetter wären wir noch länger an der Küste geblieben, die mit ihren Schären- und Felslandschaften nördlich von Göteborg besonders schön ist, aber das Wetter ist für einen längeren Küstenaufenthalt noch nicht geeignet. Es gibt wenig unbebaute Plätze, mit Mühe finden wir jeden Tag nach langen Suchen einen Platz für die Nacht, der aber nicht zum längeren Verweilen taugt. Dafür müssten wir einen Campingplatz ansteuern, aber nur um dort im Regen zu stehen und auf besseres Wetter zu warten sehen wir wenig Sinn darin.
Schon eine Tagesetappe weiter ist die Lage dann schon anders: Am Abend ein See ganz für uns alleine – das wird ab jetzt zur Normalität, und dort lässt sich auch ein Regentag besser verbringen als auf einem vollen Campingplatz. Es zeichnet sich langsam ab, dass das Wetter sehr regelmäßig ist und in exaktem Wechsel einen Tag mit Dauerregen und einen Sonnentag mit beachtlichen 13 Grad aufeinander folgen lässt. Am ersten See müssen wir gleich drei Nächte verweilen, um unser Betriebsystem in den Reisemodus zu bringen und einige im System enthaltene Hektik- und Aktionismusprogramme vorläufig zu deaktivieren. Dafür werden einige Steinzeit- Programme wieder hochgefahren wie z.B. die Suche nach Feuerholz im Wald, um das Amok- Heizen zu ermöglichen sowie die Kunst, mit dem nassen Fundholz aus verregneten skandinavischen Wäldern ein Feuer zu betreiben. Das will am ersten Tag nur mit Mühe gelingen, doch zum Glück ist das menschliche Betriebssystem selbstlernend, am zweiten Tag klappt es schon besser, Ich gehe deswegen davon aus, dass wir darüber keine weiteren Worte mehr verlieren müssen.
Passend dazu haben wir uns am Tag vorher noch einen der berühmtesten Fundorte von Felszeichnungen Skandinaviens im Weltkulturerbe Tanumhede angesehen. Diese stammen aus der Bronzezeit und sind zur Verdeutlichung in der Neuzeit mit roter Farbe ausgemalt worden. Art der Zeichnungen und Lage der Felsen erinnern uns an die Zeichnungen, die wir vor drei Jahren im Altai Gebirge 6.000 km weiter östlich gesehen haben, und tatsächlich sagen auch die Archäologen, dass diese Zeichnungen an vielen weit auseinander liegenden Orten auf der Welt zu finden sind und sich alle sowohl in Technik als auch in den dargestellten Motiven ähnlich sind. Wie angeblich primitive und nicht vernetzte Menschen der damaligen Zeit das hinbekommen haben sollen, darf sich dann heute Nacht jeder selbst überlegen.