Das gewählte Fahrzeug spielt natürlich auf Reisen eine entscheidende Rolle, es entscheidet wohin man durchkommt und wohin nicht, wie schnell oder langsam man ist und wie lange man verweilen kann bevor die Vorräte ausgehen. Auch der Komfort unterwegs wird entscheidend vom Fahrzeug bestimmt.
Bevor ich unseren Gran Hermano im Detail vorstelle, möchte ich noch ein paar Worte über generelle Aspekte des Reisens im LKW verlieren. Ein LKW ist groß, schwer, langsam und verbraucht viel Treibstoff. Man kommt also nicht jede schmale Bergpiste hoch und man kann nicht im Einbaum über einen Fluss übersetzen wie mit dem Motorrad. Wenn man sich in Sand oder Schlamm eingräbt muss man anständig schuften und braucht im schlimmsten Fall fremde Hilfe. Dafür kann man viele Dinge mitnehmen und große Mengen an Wasser und Lebensmitteln bunkern, sodass man mit einer autarken Energieversorgung (Kühlschrank) auch in entlegenen Gegenden lange verweilen kann. Es wird auch am dritten Regentag noch nicht zu eng. Die Besonderheiten eines Oldtimer- LKW sind dazu noch die körperliche Anstrengung beim Fahren (nicht umsonst hieß es früher Kraftfahrer) sowie Enge und Laufstärke im Fahrerhaus. Hinzu kommen kurze Wartungs- und Pflegeintervalle wie häufiges Abschmieren, dafür hat man aber robuste standfeste Technik. Liegenbleiben wegen Fehlercode 11436 gibt es mit einem Oldtimer- LKW nicht. Defekte kann normalerweise jeder Dorfschmied weltweit reparieren, auch wenn man ihm dabei auf die Finger schauen sollte.
Etwa 9 Jahre hat es gedauert, bis aus dem Lösch-Fahrzeug der Feuerwehr Sievershütten unser Gran Hermano geworden ist. Die Umbauten am Basis- Fahrzeug selbst hielten sich noch in Grenzen, der weitaus größte Teil der Aus- und Umbauten bestanden aus dem Koffer- Aufbau und dessen Befestigung auf dem Fahrzeugrahmen.
Technische Daten:
• Erstzulassung 16.10.1963
• Leergewicht 6.975 kg
• Länge x Breite x Höhe 7,1m x 2,45 m x 3,45 m
• Luftgekühlter V6 Motor, untenliegende Nockenwellen, Stößelstangen
• Hubraum 7412 ccm
• Leistung 92 kW/2.500 U/min
• Höchstgeschwindigkeit 86 km/h
• Getriebe mit 2x 5 Vorwärtsgängen
• Permanenter Allrad-Antrieb
• Zentral zuschaltbare Differentialsperre (Längssperre)
Motor und Antrieb:
Hier gab es kaum etwas zu verändern, es wurde bis auf die Räder alles original gelassen.
Die serienmäßigen Räder mit 8.25-20 Reifen und Zwillingsbereifung hinten wurden gegen Einzelbereifung 12.00-20 vorne und hinten ausgetauscht. Durch diese Veränderung ist die Übersetzung länger, das Fahrzeug erreicht eine höhere Endgeschwindigkeit (vorher 73 km/h jetzt 86 km/h ) sowie niedrigere Drehzahlen (das bedeutet weniger Lärm) bei Reisegeschwindigkeit. Die Bodenfreiheit wird durch die größeren Reifen erhöht, die Michelin XZL Reifen lassen sich auch mit einem für LKW- Reifen sehr geringen Luftdruck von 1,3 bar fahren, was bei Sandpassagen vorteilhaft ist.
Die Motorleistung ist für ein Fahrzeug dieser Größe nach heutigen Maßstäben natürlich gering, an Steigungen muss man früh zurückschalten und schleicht dann die Berge hinauf. Bei Höchstgeschwindigkeit oder auch bei Bergauffahrten mit hoher Drehzahl wird es außerdem ziemlich laut, sodass sich die als angenehm empfundene Reisegeschwindigkeit meist so um die 70-75 km/h einpendelt.
Trotzdem kommt der Gran Hermano durch die Untersetzung in der “Gelände”- Stellung auch steile Steigungen hinauf. In bergigen Gegenden mit engen und kurvenreichen Straßen habe ich mir wegen des besseren Anschlusses der Gänge angewöhnt, permanent die Gelände- Stellung zu benutzen. Dann ist die optimale Reisegeschwindigkeit etwa 50 km/h, die Abstufung der Gänge aber optimal für ständiges Bremsen und Beschleunigen auf kurvenreichen Straßen im Gebirge.
Treibstoff-Tanks:
Der serienmäßige Tank hat ein Fassungsvermögen von 70 Litern. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 23 l/100 km ergibt sich so eine theoretische Reichweite von gut 300 km. Für autarkes Reisen durch menschenleere Gegenden ist das natürlich entschieden zu wenig. Daher wurden auf jeder Fahrzeugseite zwei zusätzliche Fahrzeugtanks montiert, jeweils mit 110 und 95 Litern Fassungsvermögen. Die Entscheidung für zwei kurze Tanks anstatt eines langen habe ich gefällt, weil sich der Fahrzeugrahmen im Gelände doch recht stark verwindet. Je länger der Tank ist, desto stärker überträgt sich diese Verwindung des Rahmens über die Konsolen auf die Tanks. Einen weiteren Vorteil von vielen kleinen Tanks sehe ich daran, dass im Falle eines Lecks durch Steinschlag oder einen Unfall der Verlust an Treibstoff geringer ist (ich denke dabei schon wieder an menschenleere Gegenden ohne Tankstellen). Zusammen mit Serientank komme ich auf ein Fassungsvermögen von 480 Litern und eine theoretische Reichweite von knapp 2.100 km.
Alle Tanks sind über Schlauchleitungen und manuell schaltbare Kugelhähne in Vor- und Rücklaufleitung miteinander verbunden. Dies ist die simpelste Lösung, auf Tankanzeigen und vom Fahrerhaus bedienbare Magnetventile habe ich zugunsten eines möglichst einfachen Fahrzeugs verzichtet. Ich schalte nach Gefühl und Kilometerstand von einem Tank auf den nächsten. Idiotensicher ist das ganze nicht, man kann auch Vor- und Rücklauf verschiedener Tanks öffnen und so “umpumpen”. Wenn man aus Versehen den Rücklauf eines vollen Tanks öffnet, kann man ihn so theoretisch so zum Überlaufen bringen.
Fahrerhaus:
Das Fahrerhaus eines Magirus Mercur ist klein und unbequem, besonders für einen 1,90 m großen Fahrer wie mich. Auch der Beifahrer kann nicht einmal richtig die Beine ausstrecken, weil der Radkasten an den Außenseiten des Fahrerhauses noch einiges an Innenraum einnimmt. Viel verbessern kann man nicht, aber das was geht haben wir gemacht. Das ist zum einen eine Schalldämmung bestehend aus einer aufgeklebten Lage Schwerschicht-Dämmung gegen das Dröhnen, darüber einer Lage Schwerschaum-Absorptionsplatten und einem verlegbaren Innenraumteppich obenauf. Zum anderen sind das zwei bequeme Ledersitze aus einem Chrysler M 300. Diese haben neben guter Polsterung eine Mulde, in der der Körper Halt findet und im Gelände nicht ganz unkontrolliert hin- und herrutscht. Die originalen Sitze mit Federkern und Strohfüllung bieten deutlich weniger Komfort und Halt. Als klappbaren Notsitz haben wir noch einen VW- Touran Mittelsitz dazwischen gezwängt. Dies ist wirklich nur ein Notsitz, denn im 5. Gang hat der Passagier den Schalthebel direkt zwischen den Beinen. Unter dem Beifahrersitz befindet sich der originale Tank, unter dem Fahrersitz die Starterbatterien. Die originalen Batterien (Natoblöcke) mit 100 AH flogen raus, stattdessen habe ich zwei SHD Batterien mit 150 Ah dort eingebaut. Tank 1 und der Batterieraum sind Schuld daran, dass man in dieses Fahrerhaus keine luftgefederten LKW Sitze einbauen kann, denn diese erfordern wesentlich mehr Bodenfreiheit unter den Sitzen.
Kofferaufbau:
Als Aufbau für den Wohnbereich dient ein ehemaliger Funkkoffer der britischen Armee. Die Außenhaut ist aus Aluminium, das Leergewicht des Koffers liegt bei etwa 800 kg. Der Kofferaufbau ist über einen dreipunktgelagerten Hilfsrahmen mit dem Fahrzeugrahmen verbunden, die hintere Verbindung ist starr und die vordere drehbar. Die Konstruktion habe ich mir selbst ausgedacht, aus Vierkantprofil 10 x 10 x 4 mm Stück für Stück zusammenschweißen “durfte” ihn fast endlosen Einzeletappen mein guter Freund Tom, seines Zeichens gelernter Schlosser. Als Drehlager habe ich einen oberflächengehärteten abschmierbaren Bolzen 150 x 30 mm aus dem Baumaschinenhandel (Verwendungszweck Minibagger) verwendet. Ein dreipunktgelagerter Hilfsrahmen ist erforderlich, um einen starren Koffer mit einem verwindungsweichen Fahrzeugrahmen zu verbinden. Ein stehender LKW macht einen stabilen und steifen Eindruck, doch das täuscht. Denn die Längsträger des Rahmens sehen zwar nicht so aus, sind aber elastisch und verwinden sich. Besonders bei Geländeeinsatz ist die so genannte Verschränkung, d.h. die Drehung des Fahrzeugrahmens um die Längsachse ziemlich extrem, der Koffer kann sich bis zu 30 Grad zur Seite neigen. Wäre er direkt auf dem Fahrzeugrahmen befestigt, würde dann eine Seite des Koffers um ca. 20 cm abheben, so dass eine feste Verbindung zwischen Koffer und Fahrzeugrahmen ohne den Hilfsrahmen nicht möglich wäre.
Da der Koffer ursprünglich eine Stehhöhe von nur 1,75 Metern hatte, wurde der mittlere Teil des Daches herausgetrennt und mit 20 cm breiten Eichenbohlen erhöht, sodass auch ich mit 1,90 Metern Körpergröße jetzt darin stehen kann. Für solche unkomplizierten und brachialen Ideen und deren Umsetzung gebührt dem Tischler- Dream- Team Teddy und Schuby ewiger Dank.
Einen Durchgang vom Wohnbereich zum Fahrerhaus gibt es nicht. Zu diesem Thema gibt es verschiedene Meinungen. Die Philosophie eines Durchganges ins Fahrerhaus ist es, in einem Ernstfall eine spontane und schnelle Flucht zu ermöglichen. Dagegen spricht für mich, dass bei einem Aufenthalt am Standplatz zu viele Dinge vom Fahr- in den Wohnmodus gebracht werden (Beispiel Leiter), diese würde man bei einer spontanen Flucht beschädigen oder zurücklassen. Ein gut gemachter bewaffneter Überfall würde meiner Meinung nach so ablaufen, dass ein Waffenträger sowieso darauf achtet, dass sich nicht einfach jemand ans Steuer setzt und losfährt, d.h. die Flucht wäre dann auch mit Durchgang nicht möglich. Dafür hätten wir mit Durchgang aber in Kauf nehmen müssen, dass unser eigentlich massiver Koffer mit 1,30 Metern Bodenhöhe, massiven Metalltüren und kleinen über 2 m vom Boden entfernten Fenstern nicht mehr aussehen würde wie eine uneinnehmbare Festung. Sicher, mit Werkzeug kommt man überall hinein (auch durch die Außenhaut), aber zum Einwerfen einer Windschutzscheibe reicht ein einfacher Stein, schon wäre der Einbrecher im Fahrerhaus und könnte sich mit Durchgang dann gleich weiter in den Wohnbereich vorarbeiten.
Wohnbereich:
Im Wohnraum wollten wir es üppig haben, also haben wir uns dort einen “Salon” (Zitat Thomas und Verena) eingerichtet, in dem wir uns nach absolvierter Reiseetappe angemessen von den Strapazen und Mühen der Reise in einem Oldtimer- LKW erholen können. Bei wetterbedingten längeren Aufenthalten im Regen soll uns nicht gleich die Decke auf den Kopf fallen. Unsere Haupt- Anforderungen waren:
• Ein permanent einsatzbereites Bett von 1,40 x 2 Meter welches nicht vor und nach der Fahrt umgebaut werden muss
• Betrieb ohne Gas, nur mit Strom und Treibstoff
• Autarke Stromversorgung
• Keine Enge, dazu auch freier nicht verbauter Raum
• Wasserversorgung ausreichend für ca. 2 Wochen
• Holzofen
• keine Kunststoffmöbel
Der Ausbau ist komplett in Holz mit Birkenholz- Platten. Diese wurden geölt, der Fußboden wurde gewachst. Es gibt reichlich Stauraum in den Schränken, große Fächer unter den Sitzen sowie eine große Rollschublade unter dem Bett vor allem für selten benutzte große Dinge, z.B. ein aufblasbares Kanu Modell Gumotex Palava für Wasserwanderungen. Der Tisch ist mit Flügelmuttern befestigt und kann abgenommen werden. Für die Schönheit haben wir Nomadenteppiche ausgelegt (was sonst), auch ein Gemälde hängt über dem Bett.
Die Küchenausrüstung besteht aus einem Waeco Kompressorkühlschrank sowie einem Wallas 85 DU Dieselkocher mit Keramik-Kochfeld. Beide werden mit 12 Volt über die Solaranlage betrieben. Der Kocher wird elektrisch gestartet und bläst seine Abgase durch einen Auspuff in der Seitenwand ins Freie. Im Wohnbereich bleibt es also abgasfrei. Die Batterien dürfen zum Starten des Kochers nicht zu leer sein (12,8 Volt sollten es schon sein). Nach der Startphase hält sich der Stromverbrauch in Grenzen (ca. 2 A). Da die Saugleistung der Benzinpumpe nicht ausreicht, den Treibstoff direkt aus den etwa 1 Meter tiefer liegenden Tanks anzusaugen, ist unter der Spüle ein kleiner 2 Liter Zwischentank mit einer weiteren Pumpe. Der Kühlschrank hat ein kleines Eisfach und schafft bis 30 Grad Außentemperaturen problemlos 1-2 Grad selbst wenn er voll beladen ist. Ab 30 Grad plus wird es auch im Kühlschrank wärmer, bei 42 Grad hat man im Kühlschrank noch etwa 10 Grad. Aber das Eisfach bleibt immer unter Null.
Für die Frischwasserversorgung befindet sich ein 60 Liter Tank unter der Spüle, dieser ist von außen über einen Schlauch befüllbar. Zwei weitere 80 Liter Tanks befinden sich unter dem Kofferaufbau auf dem Fahrzeugrahmen, diese haben keine Schlauchanschlüsse. Das Wasser muss von dort manuell per Elektropumpe in den Innentank gepumpt werden, wenn dieser leer ist.
Als Holzofen dient ein Feldheizgerät der Bundeswehr. Da man nachts nicht durchheizen kann ist das eher was für den Tag, aber die Wärme und Gemütlichkeit eines Holzfeuers ist durch nichts zu ersetzen. Kochen kann man darauf auch. Eine Standheizung für kalte Nächte ist noch geplant.
Dann gibt es noch eine extra Klo-Kabine, dort steht aber nur ein tragbares Camping- Klo, da wir in dieser Hinsicht Outdoor- Fans sind.
Solaranlage:
Da wir uns für ein gasfreies Wohnmobil entschieden haben, musste die Solaranlage relativ üppig ausfallen, der Kompressorkühlschrank, der Wallas-Kocher (in der Startphase) sowie Beleuchtung und unsere Computer wollen versorgt werden. Daher haben wir acht 50- Watt Solarelemente auf dem Dach installiert, diese sind über Aluprofile an der Dacherhöhung befestigt. Anstatt für zwei große Elemente haben wir uns bewusst für acht kleine Elemente entschieden, damit bei Ausfall durch mechanische Beschädigung nur ein möglichst kleiner Teil ausfällt.
Unter dem Bett befindet sich der “Batterieraum”, dieser ist von außen über die linke Tür zugänglich und mit dem Stauraum für Bordwerkzeug kombiniert. Die linke Tür wird im Normalbetrieb nicht genutzt, sie dient nur als Zugang zu Werkzeug und Batterien. Im Batterieraum stehen vier Exide G80 Gelbatterien mit je 80 Amperestunden. Die Batterien sind parallel geschaltet und einzeln zuschaltbar, wir haben im Koffer also eine 12- Volt Elektrik, im Gegensatz zu den 24 Volt Bordspannung im Fahrerhaus. Geregelt wird die Ladung der Batterien durch einen Phocos PXN 40 Solarregler im Batterieraum mit sehr kleinen Abmessungen. Dieser ist über ein Bedienteil über dem Bett aus dem Wohnbereich steuerbar, Ladezustand und elektrische Werte können abgerufen werden. Wegen der unterdimensionierten Ladegeräte auf unserer ersten Reise haben wir mittlerweile noch einen 1000-Watt Wechselrichter für 220-Volt Geräte fest installiert.
Bislang sind wir mit der Solaranlage zufrieden, haben aber die Exide G80 Gelbatterien als Schwachpunkt identifiziert. Die vier Batterien haben zusammen 360 Amperestunden. Etwa die Hälfte davon soll man angeblich entnehmen können, bevor die Batteriespannung in einen ungünstigen Bereich absinkt. Das wären 180 Amperestunden, die etwa den Normalbedarf einer Woche decken sollten. Wir haben an regenreichen Herbsttagen, an denen wegen dunkler Wolken die Batterien kaum nachgeladen werden, leider feststellen müssen, dass die Batterien nach lächerlichen 16 Amperestunden schon wegen Tiefentladung abgeschaltet wurden, was nicht einmal ausreichte, um nach der ersten Herbstnacht noch den Kocher zu starten. Dieses Phänomen trat später auch mit externen Ladegeräten auf, sodass wir definitiv die Schuld den Batterien geben können. Da muss also noch nachgebessert werden. Weil wir auf unserer jetzigen Reise ans Nordkap mit 24 Sonnenstunden pro Tag wohl keine Probleme damit haben werden, haben wir die Lösung des Problems aber erst einmal vertagt.