Seit wir in Litauen an dem schwarzen Loch vorbei gefahren sind, rast die Zeit wieder ungebremst an uns vorüber. So kommt es, dass wir seit unserer Rückkehr nichts mehr geschrieben haben, mein letzter Beitrag und unsere Ankunft liegen nun schon über ein halbes Jahr zurück. Doch keine Angst, so sieht das nur für Euch Leser aus. Wir als Reisende waren ja dem enormen Gravitationsfeld des schwarzen Loches ausgesetzt und sind in der Zeit gerade einmal drei Tage älter geworden.
Der Leser möchte am Ende natürlich vor allem wissen, wie diese Reise uns verändert hat und wie es nun mit dem Nomadenleben und dem Gran Hermano weitergeht. Wie im Fernsehen erwartet der Leser einen grandiosen Schluss nach dem Motto “Diese Reise hat unser Leben entscheidend geprägt und verändert”. Das ist im wahren Leben natürlich nicht so, doch nun erst einmal schön der Reihe nach:
Das Thai Basilikum, welches uns von Usbekistan bis nach Hause begleitet hat, ist kurz nach der Ankunft gestorben. Hitze und Kälte im Auto hat es über Monate klaglos ausgehalten, doch der lichtlose graue Winter auf der Fensterbank war nicht das Richtige. Es war halt eine echte Nomadenpflanze, R.I.P.!
Nur 4-6 Wochen nach unserer Ankunft sind auch schon die Postkarten angekommen, die wir aus Moskau noch schnell an unsere Nachbarn verschickt haben. Mittlerweile hat sich die Erfahrung auch durch unseren Versandhandel bestätigt: Die russische Post ist eine der langsamsten der Welt, da ist eine Sendung in den brasilianischen Amazonas- Urwald um mindestens 400 % schneller.
Das Medien- Echo ist nun langsam verhallt. Es begann mit zwei Artikeln über unsere Heimkehr in den Kieler Nachrichten und in der schleswig-holsteinischen Landeszeitung. Danach ein kurzes Radio- Interview bei RSH, und zu guter Letzt kam noch ein Fernsehteam vom NDR und hat einen kurzen Beitrag gedreht, der in der Regionalsendung DAS! Ende Januar 2013 ausgestrahlt wurde. Zu guter Letzt habe ich am 19.4. in Nortorf noch einen Bildervortrag über unsere Reise gehalten, dabei war ich selbst fasziniert zum einen von unseren eigenen Bildern und zum anderen auch davon, dass diese auf andere interessant und nicht einschläfernd wirken, zumindest wenn man sie mit Reiseanekdoten “garniert”.
Zweimal kurz nacheinander haben wir vor Kurzem Wiedersehen mit alten Reisefreunden gefeiert. Als erstes haben Thomas und Verena nach erfolgreich beendeter Reise ihren Kurzhauber aus Hamburg abgeholt, nachdem sie ihn von Kuala Lumpur aus dorthin verschifft hatten. Sie sind dann noch auf einen Abend vorbeigekommen, das Wiedersehen war so herzlich, als ob wir uns schon länger kennen, dabei hatten wir vorher nur einen Abend im Altai zusammen verbracht. Auch ihr Kurzhauber ist fast 50 Jahre alt, und genau wie unser Gran Hermano hat er die Reise ohne Probleme überstanden. Damals gab es noch deutsche Wertarbeit, diese Fahrzeuge sind der wahre Kern des Mythos, von dem deutsche Automarken noch heute zehren, auch wenn aus wirtschaftlichen Gründen höchste Qualität schon lange nicht mehr erwünscht ist…
Gerade einmal zehn Tage später haben uns auch Sylvia und Karsten mit Hund Loukas, der in Atyrau entlaufen war, besucht, um das Spektakel des ersten Bierbrauens nach der Reise selbst zu erleben. Erneut durften wir die Wiedersehensfreude erleben, wie 9 Monate zuvor im Nationalpark in Kasachstan haben wir abends am Lagerfeuer gesessen, gegrillt und von der Zeit nach der Reise bis zu neuen Plänen alle Themen durchgenommen, die so dazu gehören. Die Beschleunigung der Zeit nach der Rückkehr in den Alltag ist ein Thema, über das man sich lange auslassen kann. Wir erfahren, dass dies auch passiert, wenn man nicht zu dicht an einem schwarzen Loch vorbei fährt. Als Motorradfahrer hat man immer Benzingespräche zu solchen Lagerfeuergesprächen gesagt, sind das dann also Dieselgespräche? Der Brautag war sehr chaotisch, mit Defekten in der Wasserversorgung und Pumpenanlage. Wahrscheinlich wird es ein Spitzenbier, wie so oft bei unvorhergesehenen Verzögerungen im strengen Brauprozess. Vergeblich werden wir dann wieder versuchen, dieses Bier zu reproduzieren, doch die Verzögerungen durch solche Defekte lassen sich nicht nachstellen. Zur Abreise mussten wir Sylvia und Karsten noch eine Motorradbatterie in ihr Auto einbauen, wenn der Geist von Kasachstan noch frisch ist, werden sie sie drinlassen…
Den monotonen, grauen und auch noch extrem langen Winter haben wir zum Glück überlebt, vor allem mittels Flucht in die Arbeit. Durch diese Reise ist wirklich ein Schnitt in unserem Leben entstanden, da ich im Winter nun tatsächlich zu Hause einen gut funktionierenden Internet- Versandhandel ins Rollen gebracht habe. Das wäre auch ohne unsere Reise irgendwann passiert, doch so viel Zeit zum Nachdenken und Gedankenklarheit wie in der Steppe oder an den Flüssen des Altai Gebirges hätte ich dann nicht gehabt. Durch diese Zeit waren die Pläne sehr klar und konkret, und der Eifer, diese nun umzusetzen war nach der Auszeit unterwegs entsprechend groß. Die verfrühte Rückkehr hat dazu positiv beigetragen, es war dadurch ja mehr Zeit und Geld vorhanden als eigentlich geplant. Wären wir wirklich erst jetzt mit leerer Reisekasse zurückgekehrt, hätten wir ganz schön schwitzen müssen, um das zu erreichen, was wir so in aller Ruhe den Winter über aufgebaut haben. Die Flexibilität dieser Existenzform haben wir inzwischen bereits mehrmals genutzt. Es gibt in Norddeutschland ja meist nur 1-3 Schönwettertage am Stück, bevor ein Temperatursturz alles wieder zunichte macht. Wir haben jedes Mal sofort alles fallen gelassen und sind in die Sonne gegangen, die wir nach dieser Reise immer noch vermissen. Die Sonnentage waren einmal von Montag bis Mittwoch und ein anderes Mal von Mittwoch bis Freitag. Ohne diese Flexibilität hätten wir die Sonne nur aus dem Bürofenster gesehen, doch so konnten wir die Arbeit am nächsten verregneten Wochenende nachholen. So können wir also dem Sommer 2013 gelassen entgegensehen: Selbst wenn er auf einen Mittwoch fällt, werden wir ihn voll auskosten.
Für unsere Zukunft soll die Flexibilität noch größer werden. Mit entsprechender Vergrößerung des Handelsvolumens kann man zwischendurch immer mal seinen Shop im Internet schließen und wieder auf Reisen gehen, wohin auch immer. Wir haben ja nach dieser Reise schon gesehen, sobald man den Schalter wieder auf “Ein” stellt, läuft der Handel einfach weiter. Und das ist auch der Plan. Der Untertitel dieses Blogs ist ja “Wie wir nach über 20 seßhaften Jahren wieder zurück zum Nomadenleben finden”, die Antwort darauf haben wir gefunden und sie lautet “Gar nicht”. Unsere Basis in Timmaspe wird weiter ausgebaut, ein Auswandern und ein volles Nomadenleben kommen nicht mehr in Frage, das hat diese Reise gezeigt. Doch als Teilzeitnomaden werden wir weiterhin aktiv bleiben, wenn die Umstände dies erlauben. So können wir die Freuden des Losziehens und des Heimkehrens immer wieder neu erleben. Konkrete Pläne dazu gibt es noch nicht, aber denkbar ist vieles. Überwintern in Südamerika und dabei ein Buch schreiben, Schnaps aus tropischen Früchten in Kolumbien brennen, noch einmal in die Mongolei fahren, bevor die Romantik durch neue Asphaltstraßen zerstört wird, all dies sind nur einige Ideen, die schon wieder im Kopf herumspuken. Zumindest das Schnaps brennen möchte ich dieses Jahr schon mal lernen, step by step…
Erst einmal gibt es zu Hause viel zu tun, packen wir’s also an. Als allernächste längere Reise haben wir ins Auge gefasst, mit dem Gran Hermano ans Nordkap zu fahren, aber mit viel Zeit, um an schönen Plätzen ausgiebig zu verweilen. Das ist nicht ganz so weit wie Zentralasien und die Straßen sind auch nicht ganz so schlecht. Der Gran Hermano ist perfekt ausgerüstet, es wird lediglich einige leichte Verbesserungen geben. Nur die Bierversorgung bereitet uns noch etwas Kopfzerbrechen, der gute Stoff ist dort einfach zu teuer. Und so ist im Kopf schon eine mobile Brauanlage entstanden, die diesen Sommer noch konstruiert und getestet wird. Auch wenn es in diesem Blog nun erst einmal ruhig wird, wir werden an dieser Stelle wieder berichten…